Stellungnahme zur Ende November 2025 von der Österreichischen Bundesregierung geplanten Änderung des Schulorganisationsgesetzes

 

Hintergrund

    Für die für Schüler mit mangelnden Deutschkenntnissen in Österreich vorgesehenen Deutschförderklassen und Deutschförderkurse gelten aktuell gemäß §8h des Schulorganisationsgesetzes die folgenden Vorgaben:

Bei der Durchführung von Deutschförderklassen und Deutschförderkursen sind im Sinne der Qualitätssicherung und -entwicklung verpflichtend Diagnoseinstrumente einzusetzen, auf deren Grundlage individuelle Förderpläne zu erstellen sind. Der Einsatz von Förderinstrumenten und das Erreichen der Förderziele sind zu dokumentieren.
das Ausmaß der Deutschförderkurse höchstens vier Wochenstunden umfasst".

    Mit 10.11.25 erfolgte die Bekanntgabe eines Ministerialentwurfes (Parlament Österreich), der eine Änderung der gemäß Schulorganisationsgesetz vorgesehenen Deutschförderung vorsieht, mit der Möglichkeit einer Stellungnahme bis zum 05.12.25. Darin bleiben die Punkte 1 - 3 des § 8h unverändert, während für Punkt 3 eine Ergänzung und Punkt 4 eine Änderung vorgesehen sind:
 
    "(3a) Im Rahmen der Durchführung von Deutschförderklassen und Deutschförderkursen können an einzelnen Schulen bei Vorliegen eines Sprachförderkonzepts auf Anweisung der Schulleitung in Absprache mit den beteiligten Lehrpersonen Deutschfördermaßnahmen schulautonom umgesetzt
werden. Dabei gelten Abs. 2 und 3 mit der Maßgabe, dass
1. die darin vorgesehenen Mindestschülerzahlen nur als Grundlage für die Berechnung und Zuweisung der Lehrpersonalressourcen an die Schule heranzuziehen sind,
2. die Deutschförderklasse und der Deutschförderkurs auch unbeschadet der darin vorgesehenen Mindestschülerzahl parallel zum Unterricht geführt werden kann,
3. die darin für die parallele Führung von Deutschförderklassen bzw. Deutschförderkursen vorgesehenen Mindestwochenstundenanzahlen unterschritten werden können,
4. Schülerinnen und Schüler der Deutschförderklasse und des Deutschförderkurses nach den für sie jeweils geltenden Lehrplanbestimmungen gemeinsam parallel zum Unterricht in der Regelklasse unterrichtet werden können.
    (3b) Das Sprachförderkonzept gemäß Abs. 3a ist bis spätestens 31. März des vorangehenden Schuljahres der zuständigen Schulbehörde zur Kenntnis zu bringen und hat folgende Punkte zu umfassen:
1. die organisatorische Umsetzung der Deutschförderung an der Schule,
2. die pädagogische Umsetzung der Deutschförderung,
3. die Qualifizierung der Lehrpersonen, und
4. die Zielbeschreibung und -erreichung.
    (4) Bei der Durchführung von Deutschförderklassen und Deutschförderkursen bzw. bei der schulautonomen Durchführung der Deutschförderung sind im Sinne der Qualitätssicherung und -entwicklung verpflichtend Diagnoseinstrumente einzusetzen, auf deren Grundlage individuelle Förderpläne zu erstellen sind. Der zuständige Bundesminister kann mit Verordnung festlegen, welche Diagnoseinstrumente für den Einsatz geeignet sind. Der Einsatz von Förderinstrumenten und das Erreichen der Förderziele sind zu dokumentieren". 
 
 
Stellungnahme
 
1.  Zur  Be- und Entlastung der Schulleitungen
 
    Allgemein besteht ein Mangel an Leitungspersonal, der weitestgehend auf die mit den Aufgaben verbundenen Belastungen zurückzuführen ist, welche keinen Ausgleich durch die Entlohnung erfahren. Die jährliche Erstellung eines hier mit Punkt 3b als Voraussetzung für schulautonome Entscheidungen geforderten Sprachförderkonzepts wäre mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden, der erwarten lässt, dass nicht selten auf schulautonome Entscheidungen verzichtet wird. Das könnte dann aber auch zum Nachteil der Schüler und ihrer Förderung sein. Daher sollte zu diesem Anlass nochmals sorgfältig geprüft werden, wie die Belastungen der Schulleitungen reduziert werden können, denn die beabsichtigte Verbesserung der Deutschförderung wird nur mit einem ausreichend vorhandenen und zusätzlich belastbaren Personal organisierbar sein.
 

2. Zur Abhängigkeit der möglichen Entscheidungen der Schulleitung und der Art und des Ausmaßes der Förderung von der Zuweisung von Lehrpersonalressourcen

    Die mit dem Gesetzesentwurf intendierten schulautonomen Entscheidungen stehen und fallen mit den zugeteilten Lehrpersonalressourcen. Denn wie sollen Deutschförderklassen oder Deutschförderkurse unbeschadet der darin vorgesehenen Mindestschülerzahl gemeinsam oder getrennt parallel zum Unterricht geführt werden, wenn die in den Punkten 2 und 3 vorgesehenen Mindestschülerzahlen als Grundlage für die Berechnung und Zuweisung der Lehrpersonalressourcen an die Schule heranzuziehen sind? Dann würde ja für die schulautonomen Entscheidungen unabhängig von den Mindestschülerzahlen das erforderliche Lehrpersonal fehlen. Sinnvoller erschiene hier der umgekehrte Weg: Nach Erstellung eines Sprachförderkonzepts durch die Schulleitung, eventuell mit geringeren Mindestschülerzahlen von 5 für Deutschförderklassen oder Deutschförderkurse, erfolgt die dafür erforderliche Zuteilung von Lehrpersonal! Der damit erhöhte Personalbedarf für die Deutschförderklassen könnte - wenn gar nicht anders möglich - eventuell auch wie bei der Sommerschule durch Studierende abgedeckt werden.
 
 
3. Zur Gefahr eines Qualitätsverlustes
 
    Dadurch, dass gemäß 3a/3) die vorgesehenen Mindestwochenstundenzahlen unterschritten werden können, wird einem Qualitätsverlust in der Deutschförderung Tür und Tor geöffnet. Angesichts des allgemein bestehenden Personalmangels scheint es nicht unwahrscheinlich, dass für die regulären Wochenstundenzahlen zu wenige Lehrkräfte vorhanden sind, weshalb dann nur mehr viel zu wenige Förderstunden realisiert werden können. Daher sollte ein Unterschreiten einer Mindeststundenzahl absolut ausgeschlossen und, wenn gar nicht anders möglich, ein Unterricht - in Teilzeit - durch Studierende, "Quereinsteiger" oder andere installiert werden. Grundsätzlich - aber das besonders auch für den Bedarf der Deutschförderung - sollte dringend die Anzahl an Lehrkräften erhöht werden.
 
 
4. Zum Erfordernis qualitativ hochwertiger randomisierter Evaluationsforschung unter Einbeziehung auch der deutschsprachigen Schüler
 
    Für die Entscheidungen Deutschförderklassen versus integrativer Unterricht mit Deutschförderkursen fehlen dem Lehr- und Leitungspersonal auch verlässliche wissenschaftliche Grundlagen. Ein Versuch einer Vergleichsstudie (Oppriessnig et al., 2019) ist gescheitert (Klingler, 2025). Erforderlich wäre dringend eine begleitende randomisierte Vergleichsstudie, mit Schulen, mit einem hinsichtlich der Methoden der Sprachförderung indifferentem Lehr- und Leitungspersonal, die von der Größe her ausreichend sind, dass jeweils zwei Klassen mit vergleichbarer Ausgangssituation per Zufallsverfahren entweder einem Unterricht mit Deutschförderklassen oder integrativem Unterricht mit Deutschförderkursen zugeteilt werden. Der Vergleich sollte mit standardisierten Testverfahren erfolgen, dringend auch unter Einbeziehung der mittelbar betroffenen deutschsprachigen Schüler und unter Einbeziehung anderer Schulleistungen und der feststellbaren sozialen Einstellungen und Verhaltensweisen.

 
Literatur: 
 
 
Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich, Teil I (2019). 35. Bundesgesetz: Änderung des Schulorganisationsgesetzes, des Schulunterrichtsgesetzes, des Schulunterrichtsgesetzes für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge und des Privatschulgesetzes, 24. April 2019.
 
Klingler, O. J. (2025). Erziehungswissenschaft und Bildungspolitik: "Trial and Error" und die Schwächen der Forschung. https://draft.blogger.com/blog/post/edit/8366506809434223039/8966682343812605985?hl=de. 
 
Opriessnig, S., Waxenegger, A., & Oberwimmer, K. (2019). Evaluationsbericht. Evaluation Sprachfördermaßnahmen nach §8e SchOG. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens (https://www.iqs.gv.at/_Resources/Persistent/248ab34233b1b6a587478c66d29c410a27fd33a4/Evaluation_SFM_2019_final.pdf). 
 
Parlament Österreich (2025). Schulorganisationsgesetz, Schulunterrichtsgesetz u.a., Änderung (66/ME). https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVIII/ME/66?selectedStage=100.

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